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SCHRITT FÜR SCHRITT DIE VERANTWORTUNG ÜBERTRAGEN – ERFAHRUNGEN EINER FAMILIE

« WeCare Blog | Februar 25, 2017 |
Lifestyle
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Sarah ist ein quirliges Kind, das es liebt zu tanzen und schnell neue Freunde findet. Bei ihr wurde vor vier Jahren Typ-1-Diabetes diagnostiziert, kurz nach ihrem achten Geburtstag. Das Älterwerden für Sarah bedeutet, dass sie mehr Verantwortung im Leben übernehmen wird, einschließlich ihres Diabetes-Managements. Sarahs Mutter Angela zeigt uns die schrittweise Übergabe des Diabetes-Managements von ihr und ihrem Ehemann auf Sarah sowie alle Herausforderungen und Emotionen, die dieser Prozess mit sich brachte.

Wie für viele Betroffene kam Sarahs Diagnose auch für uns völlig überraschend - keine Krankheitsfälle in der Familie, nicht einmal klassische Symptome wie übermäßiger Durst und Harndrang. In unserem Fall kam ihre Diagnose früh, aber wie bei den meisten Fällen musste Sarah für ein paar Tage ins Krankenhaus, damit wir lernen konnten, wie ihre Bauchspeicheldrüse funktioniert. Beim Kinderkrankenhaus hatten wir unglaubliche Ratgeber und Sarah wurde fast in all unsere Gespräche und Trainingseinheiten miteinbezogen.

Unsere Herangehensweise war es, hohe Erwartungen in Sarah zu setzen, sie aber auch nicht mit Informationen zu überfordern, die unangebracht für eine Achtjährige sind. Wir wussten, dass sie fähig war, zu verstehen, wie ihr Körper funktionierte, ihre Kohlenhydrate zu zählen und wie sie die Pumpe und ihr Gerät zur kontinuierlichen Glukosemessung (CGM) verwenden muss; also haben wir sie in die Diabetesschulungen und Trainings eingebunden. Manchmal machte sie aufmerksam mit, andermal war sie abgelenkt. An wichtigen Momenten war sie immer in die Diskussionen über ihren Körper und was wir tun mussten, damit er jetzt angesichts ihrer geschädigten Bauchspeicheldrüse wieder richtig arbeitet, involviert.

Im ersten Jahr überwachten wir alles, was sie mit der Pumpe machte - Kohlenhydrate eingeben, Bolus, Veränderungen der Basalrate, etc., damit sie wusste, wie die Pumpe zu benutzen war. Wir erwarteten, dass sie ihre Pumpe selbst verwenden konnte und obwohl wir weiterhin involviert waren, damit alles sicher abläuft, waren wir zuversichtlich, dass sie dazu fähig war.

Sarah begann mit zuerst sehr kleinen, dann aber mit immer größeren Schritten unabhängiger zu werden. Jedes Mal wenn wir ihr mehr Verantwortung überließen, zogen wir zwei Faktoren in Betracht: Können wir darauf vertrauen, dass sie auf ihre Sicherheit achten kann und ist sie innerlich motiviert, den nächsten Schritt in Richtung Unabhängigkeit zu gehen?

Unter der Aufsicht ihrer Lehrer, die wir trainiert hatten, übernahm Sarah in der dritten Klasse selbst ihren Mittagsbolus, indem sie die Kohlenhydrate eingab, ihren Blutzucker testete und den Bolus abgab. Sie durfte den Bolus nicht abgeben, bevor ihr Lehrer nicht kontrolliert hatte, dass sie alles richtig gemacht hatte. Nach dem Mittagessen schickte mir der Lehrer immer eine Nachricht, damit wir sahen, wie es ihr am jeweiligen Tag ging.

Als Sarah in die vierte Klasse kam, musste ihr Lehrer vor dem Bolus nicht mehr kontrollieren. Sie gab ihrem Lehrer nur die Werte - Blutzucker, Kohlehydrate, Insulineinheiten - und der würde mir dann schreiben. Auf diese Weise konnte ich dann die Schule anrufen, wenn ich etwas sah, das aus der Norm fiel. Als wir Sarah dieses Niveau an Unabhängigkeit gegeben hatten, konnte sie sehr erfolgreich mit der Mittagsroutine umgehen und ihren Lehrer oder mich falls nötig über Probleme in Kenntnis setzen. Sie hatte sich bewiesen und wir vertrauten in ihre Fähigkeit, den nächsten Schritt gehen zu können.

Als sie in die Mittelschule kam, verlangte Sarah mehr Unabhängigkeit. Sie wollte bei Freunden übernachten. Sie wollte sich zu Mittag nicht von einem Lehrer oder uns kontrollieren lassen. Sie wollte eine Exkursion ohne einen Elternteil als Aufpasser machen. Sie war bereit, ihr Infusionsset zu wechseln. Manchmal erlaubte sie nicht einmal, dass wir ihre Pumpe berührten - sie gehörte ihr und es war etwas sehr persönliches, es war immerhin ihre "Bauchspeicheldrüse". Jedes Mal wenn wir ihr mehr Unabhängigkeit überlassen, machen wir klar, dass Sicherheit oberste Priorität hat. Wenn wir nicht das Gefühl haben, dass alles sicher ist, dann muss sie einen Weg finden, es mit unserer Hilfe zu machen. Sie muss außerdem ständig zeigen, dass sie fähig ist, neue Aufgaben zu übernehmen.

Jetzt wo Sarah ins Teenageralter eintritt und den damit einhergehenden Drang nach Unabhängigkeit spürt, ist es unser Ziel ihr zu helfen, Verhaltensmuster zu schaffen, die ihr in ihren Jahren als Teenager sehr nützlich sein werden. Wir wollen ihr ein soziales und emotionales Gerüst geben, damit sie spürt, dass sie immer Hilfe, Liebe und Unterstützung bekommt, wenn sie das braucht. Bei dieser Krankheit gibt es keine Garantien und es gibt sehr wenig Raum für Fehler. Man muss Diabetes rund um die Uhr managen. Es kann sehr emotional und unheimlich sein, diese Verantwortung deinem Kind zu übertragen, selbst wenn es nur der Beginn auf dem Weg zur Unabhängigkeit ist.  

Das ist unsere Herangehensweise:

  • Erwarten Sie von ihrem Kind Kompetenz im Umgang mit der Situation. Es muss zeigen können, dass es eine Aufgabe verlässlich und unabhängig angehen kann. Wenn es tief im Inneren weiß, dass wir ihm vertrauen, dann wird es Selbstvertrauen gewinnen.
  • Garantieren Sie die Sicherheit Ihres Kindes. Das Diabetes-Management wird nicht immer perfekt sein, aber Sicherheit ist das Mindestmaß.
  • Klären Sie andere erwachsene Aufsichtspersonen auf und üben Sie mit ihnen. Ich schicke ihnen oft dieses Video, damit sie über die Grundlagen Bescheid wissen.
  • Machen Sie zuerst kleine Schritte, dann größere.
  • Etablieren Sie Sicherheitsmechanismen: Stellen Sie sicher, dass sich zusätzliches Zubehör in der Schule, zu Hause, in der Kirche, in Ferienlagern etc. befindet. Wir benutzen die Drei-Stunden-Regel - wir überprüfen alle drei Stunden, ob es Sarah gut geht, außer wenn sie in der Schule oder im Ferienlager ist, wo die Erwachsenen sie gut kennen und Übung haben. Gute Organisation und Vorbereitung helfen uns, Sarah mehr Unabhängigkeit zu lassen.
  • Geben Sie Ihrem Kind die Möglichkeit, von anderen mit Typ 1-Diabetes zu lernen und Unterstützung zu bekommen. Beim Diabetes-Sommerlager wurde Sarah so viel geboten - Freunde, Unabhängigkeit und eine unglaubliche Förderung. Wir versuchen auch jährlich an Informationsveranstaltungen teilzunehmen und sind in T1D-Gruppen aktiv. Andere Kinder mit T1D zum Spielen zu finden, gab Sarah am Anfang Stärke und Selbstvertrauen.

 

Jede Familie muss das Beste für ihr Kind machen und wie uns unser kluger Endokrinologe sagte, bei Typ 1 Diabetes geht es vor allem um Versuch und Irrtum. Bei uns gab es viele Versuche und oft Irrtümer, aber wir gehen weiter nach vorne um das Beste für Sarah zu machen, damit sie eines Tages das Beste für sich selbst machen kann.