Sportlich Reisen mit Diabetes und was ich auf der Reise lernte
Motivation
Ich bin Liliane Friedli. (31) und habe seit 28 Jahren Diabetes Typ 1 sowie Zöliakie. Sport und Diabetes begleiten mich seit meiner Kindheit, sei es im Winter mit Skitouren, beim Langlaufen oder im Sommer beim Velofahren, Biken, Wandern, Trailrunning oder Klettern.
Ich wurde stets von sportlichen Diabetologen betreut, die mir die medizinische Sicherheit im Alltag und bei sportlichen Aktivitäten geben konnten. Aktuell trage ich das MiniMed™ 780G System mit dem Insulin Fiasp.
Ich bin keine Medizinerin, doch ich kenne meinen eigenen Körper relativ gut. Meine Erfahrungen haben mich gelernt, dass man die wichtigen Fertigkeiten und typischen Reaktionen der Ernährung und Sport am besten aus dem «Machen» lernt. Bepackt mit Erfahrungen aus vergangenen sportlichen Aktivitäten fasste ich den Mut, auf eine längere Reise zu gehen und meine Erkenntnisse anzuwenden.
Mein Wunsch ist es auch zukünftig wieder mit eigener Muskelkraft unterwegs zu sein und meine Projekte ohne meine erlebten Zwischenfälle zu realisieren. Mir ist es bewusst, dass eine gute Planung unerlässlich ist. Ich habe das Gefühl, dass es noch bessere Lösungen für sportliches Unterwegssein gibt, die ich möglicherweise noch nicht kenne. Ist das so?
Material
Herausfordernd war für mich das Packmass der Kanülen, Sensoren, Reservoirs, Stechhilfen etc. Dieses Material erforderte genügend Stauraum und füllte bereits eine ganze Velotasche. Aufgrund dessen plante ich meine Reise so, dass ich für etwas mehr als zwei Wochen Material (Kanüle, Reservoir, Sensor) dabeihatte und den Rest per Post in die Niederlande zu einem Bekannten schicken liess und dort abholen wollte. Da jedoch nicht alles wie geplant verlief und das Paket beim Zoll verharrte, verweilten wir in Utrecht knapp eine Woche in Ungewissheit, ob und wann das Paket ankommen würde. Für das Versenden von Paketen ins Ausland soll genügend Zeit einberechnet werden, was ich nicht miteingeplant hatte. Das nächste Mal lasse ich ein medizinisches Paket für eine effiziente Lieferung mit der DHL verschicken oder stelle schon vor der Abreise das Paket dem Empfänger / der Empfängerin zu. In der Ungewissheit über das Ankommen des Pakets wollte ich sicherheitshalber das fehlende Material über Medtronic ins Ausland bestellen. Beim Telefonat mit der Firma Medtronic stellte sich jedoch heraus, dass kein Material ins Ausland geliefert wird. In Utrecht wurde mir aufs Neue bewusst, dass ich auf mich gestellt bin und eben doch eine Krankheit habe, die mich von der Medizin abhängig macht. Es blieb uns nichts anderes übrig, als auf das Paket zu warten, das irgendwann kommen sollte. Schlussendlich wurden wir nach einer Woche erlöst und fuhren befreit weiter in den Norden. Es gab kein Halten mehr, denn ich hatte nun genügend Material. Die Situation hat mir jedoch gezeigt, dass ich lieber alles mitnehme und mich nicht auf Dritte abstütze.
Insulin im Ausland
Genaue Kommunikation für die Lagerung des Insulins ist bedeutend. Die Benützung des Kühl- bzw. Gefrierschranks auf Campingplätzen ist kein Problem, wenn hervorgehoben wird, dass medizinisches Material gelagert werden möchte. Wichtig jedoch ist es, dass die Lagerung richtig vonstatten geht. Auf einem belgischen Camping wurde mir das Insulin über Nacht in das Gefrierfach und nicht in den Kühlschrank gelegt. Das Insulin hat anschliessend seine Wirkung verloren. Zum Glück hatte ich das Reservoir am Vortag gewechselt. Mit dem Wissen, dass ich bei täglicher sportlicher Aktivität kaum Insulin verbrauche, hatte ich genügend Zeit, mir neues Insulin zu besorgen. Dies stellte sich als relativ einfach heraus, da ich ein Rezept mithatte und eine Apotheke im Universitätsspital aufsuchen konnte.
Verpflegung
Zusätzlich war mir ein Notvorrat an bekannten Traubenzucker und Farmer sehr wichtig, auch wenn an vielen Orten eine Einkaufsmöglichkeit vorhanden war. Auch weiss ich, dass ich auf Winforce (Kartoffelbasiertes Kohlenhydratgetränk) sehr gut zu sprechen bin. Es verhilft mir langfristig zu einem ruhigeren und stabileren Blutzucker. Da Winforce ein Schweizerprodukt ist und im Ausland nicht bzw. kaum erhältlich ist, trugen wir jedoch diese zusätzlichen Kilos mit.
Länger einfach Reisen
Es wurde mir bewusst, dass die Anzahl Reisewochen eine bedeutende Rolle spielt. Länger als zwei Wochen unterwegs Zusein bedeutet eine gute Organisation und Planung. Beides Aspekte, die sich unserer Art des Reisens entgegensetzen. Wir wollten dem Bauchgefühl folgen, spontan entscheiden und frei sein. Rückblickend verlief aus diabetischer Sicht vieles positiv. Ich hatte praktisch keine nächtlichen Unterzuckerungen, worauf ich schliessen darf, tagsüber genügend Kohlenhydrate zu mir genommen zu haben. Die Umstellung von zwischenzeitlichen Ruhephasen und nachfolgenden Aktivphasen waren eher etwas schwieriger. Langandauernde gleichbleibende Bewegungen sind nach einer anfänglichen Eingewöhnungsphase gut abgestimmt. Kurze Wechsel zu weniger oder anderer Bewegung brachte mich zwischendurch in die Realität zurück.
Grundsätzlich möchte ich junge Menschen mit Diabetes, Eltern von betroffenen
Kindern, aber auch alle sportlich interessierten Diabetiker:innen ermutigen, Projekte umzusetzen. Vertrauen in das persönliche Können und Wissen im Umgang mit Diabetes sowie langsames Heranführen an sportliche Aktivitäten bringt Zuversicht, mit Diabetes unterwegs zu sein und eigene Projekte zu verwirklichen. Diabetes ist eine Krankheit, die mich gelernt hat, auf meinen Körper zu hören. Dabei ist es wichtig mit Menschen unterwegs zu sein, auf die ich vertrauen kann.
Unsere gesamte Reise habe ich auf den nächsten Seiten angefügt.
Zudem wird der gesamte Bericht auch auf unserer Webseite: www.friedlisisters.ch gefunden.
Sommerprojekt 2024
Wer wir sind
Wir sind Andrea und Liliane, zwei Schwestern, die gerne in Bewegung sind, viele ähnliche Interessen teilen und es lieben, mit eigener Kraft in der Natur unterwegs zu sein. Seit gut 10 Jahre hegten wir den Plan, einmal mit dem Fahrrad von der Schweiz nach Schweden zu pedalen. Diesen Sommer haben wir unser Projekt umgesetzt und schauen auf ein intensives, sportliches sowie geglücktes Projekt zurück.
Wer/was uns begleitet hat
- Drei wunderbare Gravelbikes, die es uns erlaubten, die vielen Kilometer, jeden schönen Weg und lustigen Trail zu fahren.
- Stets im Hintergrund, ruhig und zufrieden fuhr unser pensionierter und physisch fitter Vater und Kameramann mit. Danke für die Zeit, die wir gemeinsam verbringen durften.
- In Lilianes Handgepäck ist seit dem Jahr 1996 die Krankheit Diabetes Typ 1, sowie die Glutenunverträglichkeit (Zöliakie).
- Winforce - das Kohlenhydratgetränk für sportbegeisterte Leute und Diabetiker:innen. Durch Winforce konnten wir alle drei dem hohen Energieverbrauch optimal in flüssiger Form entgegenwirken.
Unsere Vorbereitung
Im Sommer 2023 durften wir eine unvergessliche Gravelreise mit einer guten Kollegin von Genf nach Barcelona erleben. Innerhalb von 13 Tagen und Temperaturen um 38°C, legten wir 1060 km sowie einige Höhenmeter zurück. Unser Endziel war die Stadt Barcelona, in der wir an einem tollen Steptanzfestival teilnehmen konnten.
Im Frühling 2024 testeten wir auf einer Mehrtagestour im Tessin sowie im Wallis unser neues Zelt und erprobten verschiedene Campingmenus.
Zusätzlich bewegten wir uns wie bisher regelmässig, sei es zu Fuss, auf dem Fahrrad, auf den Langlauf-/Tourenski oder führten gerne SYPOBA ® - Trainings durch.
Wohin die Reise ging
Frankreich, Luxembourg, Belgien, Niederlande, Deutschland, Dänemark, Schweden, Deutschland und zurück in die Schweiz. Während 6 Wochen erkundeten wir 7 Länder, hörten und unterhielten wir uns auf verschiedene Sprachen. Es war eine intensive Reise, doch sie ist einmalig reich an Eindrücken, Erlebnissen, Inspirationen und ganz viel Bewegung! Wir konnten in der Einfachheit des achtsamen Unterwegsseins eindrückliche Momente einfangen, Menschen vor Ort begegnen, Einblicke in vielfältige Landschaften gewinnen, die wir fotographisch und zeichnerisch festhielten. In vielen Caféstops erlebten wir den Groove des Ortes, kosteten die typischen Gebäcke und genossen die Zeit zum Beobachten und Sein.
Unsere Route entstand spontan und sehr intuitiv. Eine grobe Idee der Richtung war zwar vorhanden, die Etappenlänge, die Anzahl Höhenmeter, die Pausenorte sowie die Übernachtungsplätze definierten wir willkürlich. Die Einkaufsmöglichkeiten sowie eine Kühlmöglichkeit für das Insulin schränkten die Auswahl der Rastplätze ein. Daher verbrachten wir unsere Nächte eher ungern auf diversen Campingplätzen, damit das Insulin über Nacht im Kühlschrank gelagert und das Kühlelement im Gefrierfach für den nächsten warmen Tag optimal aufbereitet werden konnte. Das Navigations- App Komoot diente uns zum Finden von geeigneten (aber auch eher ungeeigneten;-) ) Fahrradwegen. Auf unserem Weg legten wir insgesamt 2’500km Fahrradkilometer zurück, fuhren über losen und festen Untergrund, genossen abwechslungsreiche Fahrten über unglaubliche Brückenkonstruktionen, verkürzten die Strecke mit wenigen Fährfahrten, die uns über kleine Flüsse und grosse Meere führten.
Als wir unsere Reise begannen, fuhren wir ohne Erwartungen los und liessen uns von den jeweiligen Orten treiben und überraschen. Dadurch tauchten wir fortan in das Land und die Umgebung ein und folgten keinen bekannten Fernradwegen. Wir liessen uns von den jeweiligen Bildern leiten und kreierten spontan unsere Route, Tag für Tag, Woche für Woche. So entstanden unsere drei persönlichen Etappen:
Etappe 1:
Basel – Colmar – Luxembourg – Maastricht – Utrecht:
Radwege entlang von Flüssen empfehlen wir nur um Distanz zu gewinnen. Doch ansonsten sind Flusslandschaften sehr monoton, jedoch optimal, um mental an Stärke zu gewinnen… Sauber und sehr zufrieden erlebten wir Luxembourg, ein kleines Land, das für einen Besuch sehr lohnenswert ist. Hügelig und intervallartig entpuppte sich Belgien. Belgiens Landschaft lässt sich mit stetigen Auf- und Abfahrten durch relativ unberührte Wälder beschreiben und ist zum Gravelen oder auch Velofahren sehr empfehlenswert. Ein sehr liebliches und kreatives Land war anschliessend die Niederlande. Unglaublich schön zu sehen wie vorbildlich dieses Land für Velofahrer ist. Uns gefiel es sehr, als Velofahrer:in immer Vortritt zu haben, im Fluss der Veloströme mitzufahren und rücksichtsvolle Autofahrer:innen anzutreffen.
Was die Etappe geprägt hat
Auf Touren kommen, wie finden wir den Fahr- und Tagesrhythmus? Wie findet die Kommunikation für die korrekte Lagerung von Insulin über Nacht auf den Campingplätzen statt? Wie erfolgt ein optimaler Paketversand ins Ausland (Dauer und Verzollung)? Welches Wasser kann ich trinken (gechlortes Wasser v.a. in Frankreich)? Wie gehen wir mit der vorherrschenden Hitze um?
Etappe 2:
Utrecht – Gouda – Delft & Den Haag – Friesland – Ribe:
Flache und ebene Landschaften, als Schweizer:in sind wir uns das nicht gewohnt und erstaunte uns immer wieder! Und Gravelwege in den Niederlanden lohnen sich nicht, da sie sich meist durch Pferdetrails mit viel Sand definieren... In Ost- und Nordfriesland haben wir das Phänomen Wind nochmals neu kennengelernt und die folgende Weisheit auf unserem Weg mitgenommen: Solange die Schafe noch Haare haben, weht nur ein laues Lüftchen. Die Nordseeroute empfiehlt sich nicht während der Hochsaison, deshalb suchten wir schnell wieder nach einer weiteren Variante. Wir begegneten tollen Ortschaften wie «Witzwort», «Osten» (wir fuhren in den Norden), «Glücksstadt», … In Dänemark wurden wir sehr offen empfangen, die Sprache ist amüsant und unverständlich. Wunderbar stillvolle Einrichtungen und gewagte Farbkombinationen trafen wir in den hübschen Dörfchen an.
Was die Etappe geprägt hat
Wind von allen Seiten, abschreckende Touristenströme auf den herzigen kleinen Inseln, Gewitternächte
Etappe 3:
Ribe – Kolding – Roskilde –Kopenhagen – Malmö – Staffanstorp – Lund – Travemünde – Prinzeninsel – Hamburg – Basel:
Sehr zum Wohl unserer Gemüter trafen wir auf etwas hügligere Landschaften im Landesinnern von Dänemark. Wir durchquerten einen Naturpark mit Hirschen, begegneten Rebhühner, was uns immer wieder ein Lachen aufs Gesicht zauberte, Fijorde, Landwirtschaftsfelder mit Heuballen und Hügelzügen. Wir erlebten die Umgebung von Roskilde und Kopenhagen als sehr stilsicher, mit farbig schön kombinierter Innen- sowohl Aussenarchitektur, stilvollen Läden, eindrücklichen und prunkvollen Gebäuden und einer friedlichen Stadtstimmung. Südschweden überzeugte uns in seiner Zufriedenheit und einer gewissen Einfachheit. Die anschliessende Überfahrt mit der Fähre von Malmö nach Travemünde führte zu einem Temperaturanstieg von 15°C: Unserer Challenge, von Anfang bis zum Ende der Veloreise nur Kurzhosenfahrten zu machen, stand nichts mehr im Wege ;-). (Wir haben es tatsächlich 6 Wochen geschafft, nur Kurzhosen auf dem Gravel zu tragen und nicht gefroren). Sehr gelungene Abschlusstage in Norddeutschland belohnten uns für die physisch (und mental) nicht zu unterschätzende Reise.
Was die Etappe geprägt hat
Häufiges Kaltwasserduschen, wunderbare für uns unbekannte Landschaften, spontanes Anfeuern der U23 Cycling-Crew während der Dänemarktour 2024, freundliche und hilfsbereite Menschen, feine Kaffees und Zimtschnecken
Campingmenüs
- Linsen – Reis – Mix mit Zucchetti – Rüebli roten Bohnen und Avocados
- Hirsotto mit Feta-Randen-Zucchetti -Topping
- Quinoa mit Tofu – Peperoni – Randen – Rahmsauce
- Gnocchi mit Brokkoli – Rote Bohnen – Pesto
- Süsskartoffeln mit Ricotta – Auberginensauce